Kiel, Chanukka 1931. Rahel Posners Foto erzählt

Urheber: MBWFK

Kiel, Chanukka 1931. Rahel Posners Foto erzählt

09.11.2022

Ein Treffen mit der Bildungsministerin – welcher Schüler würde so etwas ablehnen? Für uns, das Geschichtsprofil des Abschlussjahrgangs (Q2b) ist das Wirklichkeit geworden. Karin Prien selbst hat unserer Schule ein solches Treffen mit einer Klasse angeboten. Allerdings aus weniger erfreulichen Gründen.

Am 9. November 1938 fand die Reichspogromnacht statt. Im ganzen deutschen Reich wurden jüdische Geschäfte geplündert, Juden auf offener Straße verprügelt und ermordet und ihre Synagogen in Brand gesteckt.

Zum 84. Jahrestag dieses grausamen Ereignisses besuchten wir unter der Leitung unserer Geschichtslehrerin Frau Telligmann und der Direktorin Frau Wischtukat gemeinsam mit Frau Prien eine Ausstellung im Warleberger Hof, dem Kieler Stadtmuseum. Die Ausstellung hat das jüdische Leben in Kiel vor der Machtübernahme der Nazis 1933 zum Thema. Hauptobjekt ist eine einzige Fotographie von 1931, die einen jüdischen Chanukkaleuchter auf einer Fensterbank zeigt. Im Hintergrund ist – bereits zwei Jahre vor der Machtübernahme – eine Hakenkreuzfahne zu sehen, die aus dem Fenster des Hauptquartiers der NSDAP in Kiel hängt.

Eine hochmotivierte Museumsführerin führte uns durch die Ausstellung, die es schafft, das Leben und Schicksal einer ganzen Menschengruppe zu illustrieren.

Im Anschluss hatten wir die Gelegenheit zu einem ausführlichen Gespräch mit Frau Prien. Es handelte von der Erinnerungskultur in Schulen, besonders an die Grausamkeiten des Dritten Reiches, und wie unsere Klasse diese in den letzten Jahren wahrgenommen hat.

Zuletzt gewährte Frau Prien uns einen tiefen Einblick in ihre Familiengeschichte, berichtete von dramatischen Einzelschicksalen ihrer jüdischen Vorfahren und wie diese sie selbst entscheidend geprägt haben. So hatte ihr in Prag lebender Großvater einen Freund in Reinhard Heydrichs Offiziersstab. Er lebte als normaler Bürger seinen Alltag, ohne die Armbinde bzw. den Judenstern zu tragen, die ihn als Juden kennzeichnen sollte. Sobald seine Tarnung aufzufliegen drohte, traf er sich mit besagtem Freund zum Kartenspielen, sodass jeder Verdacht verfliegen musste. Frau Priens Großeltern mütterlicherseits flohen Anfang der 30er Jahre nach Amsterdam, weshalb ihre Mutter zunächst vehement dagegen war, als ihre Tochter deutsche Staatsbürgerin werden wollte. So prägte sich die Familiengeschichte stark auf Frau Prien selbst aus.

Am Ende unseres Gesprächs, wurde Frau Prien von einem ihrer Begleiter auf ihren engen Zeitplan hingewiesen und nachdem wir noch ein gemeinsames Foto geschossen hatten, war sie auch schon zum nächsten Termin unterwegs.

Es war ein sehr spannender und lehrreicher Ausflug, der uns einmal mehr verdeutlichte, dass es unsere wichtige Aufgabe ist, mit allen Bemühungen eine Wiederholung dieses schrecklichen historischen Kapitels zu verhindern.

Gunnar Zach, Q2b